Der Kindergärtner S. hat fleissig gerechnet. Stolz zeigt er der Lehrperson die Matheresultate. Er weiss schon in seinem jungen Alter von sich, dass er sehr gut rechnen kann. Doch dann…
Kaum schleicht sich bei S. ein Fehler ein, so wirft er mit dem Rechenmaterial wild um sich. Würde man das Verhalten von S. im Kindergartenalltag beschreiben, so würden Bezeichnungen wie «streitlustig», «rechthaberisch», «weggetreten», «in seiner eigenen Welt» oder «hart mit sich selbst» gut zu ihm passen. Das Spielen mit anderen Kindern fällt S. sehr schwierig. Es kommt in kurzen Abständen zu Handgreiflichkeiten und bösen Worten. Während Neugierde, Intensität, Sensibilität, Idealismus und überdurchschnittliche Fähigkeiten zweifellos Stärken sind, so sorgen diese Stärken zugleich dafür, dass hochbegabte Kinder anders erscheinen als andere. (Webb et al., 2017, S. 80)
Um diese Kinder feinfühlig durch ihre Schulzeit zu begleiten, gibt es ein paar wichtige Punkte, welche in der Kommunikation mit ihnen unterstützend wirken können.
Nachfolgend sind einige Gesprächspunkte erwähnt, welche dir bei einem Gespräch mit hochbegabten Kindern helfen können.
Gefühle benennen. Tönt einfach, doch dies muss schrittweise erlernt werden.
· Gefühle sind weder richtig noch falsch. Lass dastehen, was das Kind benennt.
· Zur Benennung können Gefühlskarten, davon gibt es im Netz diverse, hilfreich sein.
· Frage konkret: Wie fühlst du dich im Moment? Welche Situation hat zu diesem Gefühl geführt? Braucht es aktuell eine körperliche Aktivität, um diesem Gefühl Raum zu geben? (z.B. in ein Kissen boxen?)
· Vermeide Äusserungen wie «Ich weiss genau wie du dich fühlst.». Du kannst wirklich nicht wissen, was im Kopf des Kindes abgeht. Vermittle stattdessen, dass du das Kind verstehen willst. Gib die Gefühle des Kindes so wieder, wie du sie als Zuhörer verstanden hast.
Prozessorientiert arbeiten.
· Lege WENIG Augenmerk auf das Resultat, das erarbeitete Produkt (z.B. die gelösten Rechnungen).
· Lenke deinen Rückmeldeschwerpunkt bewusst auf den Prozess, den das Kind gemacht hat.
Nachfolgende Tabelle veranschaulicht mit ein paar wenigen Beispielen, wie dies tönen könnte:
Anstatt… |
Besser….(prozessorientiert formulieren) |
Bravo, du hast die Rechnungen gut gelöst. |
Wow, ich habe beobachtet, dass du so lange in deine Arbeit vertieft warst. |
Ich finde, das hast du super gemacht. |
Toll, du warst konzentriert an der Arbeit. Was denkst du, wie ist dir die Arbeit gelungen? |
Du bist noch nicht ganz fertig mit der Arbeit. |
Du warst konzentriert/intensiv/stark abgelenkt/zappelig etc. dran. War es anstrengend? Wie ging es dir dabei? |
Gut gelöst, hier hat es noch 2 Fehler zum Verbessern. |
Du hast nicht aufgegeben, obwohl vielleicht nicht alles ganz einfach für dich war. Bravo. |
Bei besonders cleveren Kindern, welche verstanden haben, dass sie intelligent sind, kann die Gefahr bestehen, dass die Motivation, sich anzustrengen, sinken kann. Deshalb ist es wichtig, dem Kind zu erklären, dass Erfolge auch Anstrengung benötigen. Der Lernprozess muss sichtbar gemacht werden. Diese Haltung unterstützt das Kind, sich auch an schwierigere Aufgaben heran zu wagen. Auch hier: Im Zentrum steht nicht das gefundene Resultat der schwierigen Aufgabe, sondern der Wille, der Mut fürs Ausprobieren und Erarbeiten der Aufgabe. Wenn sie obendrein dann noch richtig gelöst wurde, noch besser, doch dies hat für die Lernmotivation zweite Priorität. Kinder, welche zu Perfektionismus tendieren, profitieren auf Grund ihrer hohen Leistungserwartung viel von Rückmeldungen zum Prozess. Sie spüren dabei, dass sie nicht über ihre Leistung, ihre Resultate allein definiert (oder gar wegen ihrer Leistung geliebt) werden. Während dem Arbeitsprozess passieren Fehler, diese gehören dazu, auch bei intelligenten Menschen.
Soziale Anerkennung ist essentiell wichtig für das Gefühl, verstanden zu werden und andere zu verstehen, d.h. für eine gute Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen.(Germann-Tillmann et al., 2021, S. 208) Nutze eine wertschätzende Gesprächskultur für eine gute Beziehung und für einen erfolgreichen Lernprozess deines Kindes, deiner Schüler:innen. Ich wünsche dir viel Spass beim Ausprobieren der Gesprächstipps (ist auch ein Prozess…).
Literatur:
Germann-Tillmann, T., Joder, K., Treier, R., Vroomen-Marell, R., Kubetzki, U., & Bromberger, N. (Hrsg.). (2021). Hochbegabung und Hochsensibilität: Grundlagen, Erfahrungswissen, Fallbeispiele. Schattauer.
Webb, J. T., Gore, J. L., Amend, E. R., DeVries, A. R., & Webb, J. T. (2017). Hochbegabte Kinder: Das große Handbuch für Eltern (I. Liebert-Cop & S. Zirbes-Domke, Hrsg.; C. Hornung, Übers.; 2., unveränderte Auflage). Hogrefe.